Lauter Kathedralen, ein Sturm und eine Überfahrt

Das Sturmtief, das den Namen Miguel bekommen hat, hielt uns dann tatsächlich fast eine Woche in A Coruna fest.

Immer noch in A Coruna: die Nautikzentrale auf der Mole

Da trifft es sich gut, dass man von hier aus Santiago de Compostela in etwa einer halben Stunde mit dem Zug erreichen kann. Wir suchen den Tag aus, der am wenigsten Regen verspricht, und los geht es zur Besichtigung der historischen Altstadt. Im Zentrum des Interesses steht natürlich die Kathedrale.

Turm der Kathedrale in Santiago

Hauptportal der Kathedrale in Santiago

Diese ist in diesem Jahr eine Baustelle. Teile der Außenfassade und der Großteil des Innenraums sind mit Gerüsten und Planen versehen. Daher finden dort im Moment keine Messen für die Pilger statt, aber ein Nebeneingang steht zur Besichtigung offen. Es geht durch eine Röhre aus Plastikfolie, die im Bereich des Altares endet. Dort stehen wir ein wenig herum und lassen die etwas versteckte barocke Pracht auf uns wirken. Dann entdecken wir eine kleine Treppe nach unten, die in eine Gruft führt. In der Gruft hinter einer Gittertür befindet sich das Grab des heiligen Jakobs. Dort in einem silbernen Sarg sollen seine Gebeine liegen, bis auf den enthaupteten Kopf, der in Israel geblieben sein soll. Vor der Gittertür steht eine hölzerne Gebetsbank. Wir stehen dahinter an der Wand und ab und zu kommt jemand von der anderen Seite herunter, um sich auf der Bank nieder zu knien, zu beten und nach rechts weiter zu gehen. Als wir dann nach links oben gehen wollen, werden wir angemeckert, weil wir gegen den Strom gehen. Denn dort steht eine unheimlich lange Warteschlange von Menschen, die zuerst die Altarfigur umarmen und dann die Gruft besichtigen wollen. Unbeabsichtigt haben wir uns für den zweiten Teil der Zeremonie vorgedrängelt und wir verzichten auf ein Anstehen für den ersten Teil. Den Ausgang bildet wieder eine Plastikfolienröhre, die im Shop endet.

Eingerüsteter Altar

In der Kathedrale von Santiago

Dann verlassen wir die gut besuchte Baustelle wieder und setzen den Bummel durch die Altstadt fort. Zum Abschluss kaufen wir noch eine kleine Tarta de Santiago ehe es mit dem Zug zurück zum Boot geht.

Historische Altstadt mit Kathedrale

Stadtansicht von Santiago

Markthallen in Santiago

Tartas de Santiago: eine davon wurde unsere

Den eigentlichen Sturm überstehen wir sehr gut. Der stärkste Wind trifft uns nachts, aber wir können einigermaßen gut schlafen. Im Stadthafen geben die umgebenden Gebäude doch einen gewissen Windschutz und der Schwell ist nicht zu hoch. Dass es anders aussehen kann, berichtet Kalle von der BLUE SUN. Er liegt in La Rochelle und sein Boot bekommt Windböen über 70 Knoten zu spüren, die eine heftige Schräglage im Hafen verursachen. Tragischerweise kamen dort an der französischen Biskayaküste drei Seenotretter und ein Freizeitfischer bei einer Rettungsaktion ums Leben, als deren Boote kenterten. Dieser Sturm verhielt sich wie ein typischer Wintersturm und war absolut ungewöhnlich für diese Jahreszeit - wohl eine der Folgen des Klimawandels.
Am Tag nach dem Sturm brechen die ersten Schiffe tatsächlich zur Überquerung der Biskaya auf. Sie erwartet eine Welle von über 4 Metern und dann noch über eine lange Strecke Flaute, d. h. eine sehr ungemütlich schaukelnde Motorfahrt. Wir warten lieber noch einen Tag, bis sich die Welle abbaut, und fahren in die wunderschöne Ria de Cedeira zum Ankern. Die Bucht ist umgeben von bewaldeten Bergen und man ankert im Schutz einer Mole für Fischerboote.

Ankern im Ria de Cedeira

Direkt am nächsten Tag geht es weiter nach Viveiro, denn dort wollen wir auf unsere Biskayaüberquerung warten. Wir segeln aus der Cedeira-Bucht mit einem Kurs von 330° hoch am Wind auf Backbordbug. Als wir uns von der Küste entfernen, behalten wir den Kurs zum Wind bei. Aber stetig verändert sich der Kurs über Nord und Nordost bis wir schließlich einen Kurs von 60° haben, als wir wenden. Das nahe gelegene Cap Ortegal lenkt den Wind kräftig um. Als wir uns dann wieder der Küste nähern, lässt der Wind nach und die Strömung kommt uns entgegen, so dass wir die restliche Strecke zum Hafen motoren müssen.
Viveiro hat einen historischen Stadtkern mit kärglichen Resten einer Stadtmauer und rühmt sich, der zweitwichtigste Wallfahrtsort in Galizien zu sein. Der Abstand zu Santiago dürfte gigantisch und der Vorsprung vor Nummer drei minimal sein. Insbesondere in der Karwoche spielt sich hier aber wohl viel ab, wenn als Franziskanermönche verkleidete Musiker durch die Straßen ziehen und Prozessionen durch die Altstadt anführen. Wir können nur die Statuen für diese Mönche, die Klöster und die Kirchen anschauen. Im Moment ist hier eher wenig los. Aber die Versorgungsmöglichkeiten sind gut und der Hafen sehr geschützt; also prima zum Warten auf ein Wetterfenster geeignet. Und auch, um noch etwas zu unternehmen.

Statuen der Franziskanermönche

Regina im passenden Outfit

Klosterkirche in Viveiro

Lourdesgrotte in Viveiro

Viveiro liegt an der eingleisigen Bahnstrecke, die El Ferrol mit Oviedo verbindet und unzählige Bedarfsbahnhöfe bietet. Dort verkehrt eine kleine Dieselbahn, die wir für eine einstündige Fahrt nach Osten nutzen, um den Kathedralenstrand zu besichtigen. Die Fahrt endet etwa einen Kilometer vom Strand entfernt auf einem Bahnsteig, der mitten auf einem Bauernhof liegt. Links Kühe, rechts Silage und der Zugang über die Wiese.

Bahnhof in Viveiro: hier gings los

Bahnhof in Esteiro: hier kamen wir an

Der Kathedralenstrand heißt so, weil dort große Felsen sind, die durch das Meer mit Durchbrüchen, Grotten, Säulen und Innenräumen versehen wurden und daher an sakrale Bauten erinnern. Nur bei Ebbe kann man am Strand entlang gehen, sonst sind die Felsen im Wasser. Es ist ziemlich beeindruckend und zum Glück waren noch nicht zu viele Leute dort, so dass man die Natur auf sich wirken lassen konnte.

Impressionen vom Kathedralenstrand


Impressionen vom Kathedralenstrand

Impressionen vom Kathedralenstrand

Impressionen vom Kathedralenstrand

Impressionen vom Kathedralenstrand

Achtung: A falling risk is much better than a risk of falling

Einen weiteren Tag begeben wir uns auf eine Küstenwanderung von Viveiro nach Westen. Höhepunkt der Wanderung ist ein Weg, der eigentlich als Strecke zur Wartung des grünen Leuchtturms an der Einfahrt zur Bucht dient. Dieser Weg führt über zwei Felsrücken und ermöglicht viele schöne Ausblicke.

Küstenwanderung bei Viveiro

Viveiro-Bucht

Der Wartungsweg zum grünen Leuchtturm

Die Brücke zwischen den Felsen

Am grünen Leuchtturm

Eine kleine Episode über weitere Gefahren des Seglerlebens. Direkt vor dem Yachthafen Viveiro verläuft die Hauptstraße der Kleinstadt. Da diese zeitweise viel befahren ist, gibt es eine Fußgängerampel an einem als Zebrastreifen markierten Übergang. So sollte das Queren der Straße für die beiden deutschen Segler sicher möglich sein, die den Knopf gedrückt haben und auf Grün warten. Zeitgleich treffen auf den gegenüberliegenden Straßenseite zwei französische Segler ein, die ihre Einkaufstaschen zum Boot bringen wollen. Sie gehen einfach los, obwohl für Fußgänger noch Rot ist. Die sich nähernden spanischen Auto halten, um die französischen Segler passieren zu lassen. Als diese gerade vorbei sind, legt das hafenseitige Auto eine Blitzstart hin. Dabei ignoriert der Fahrer, dass inzwischen die Ampel umgesprungen ist und die beiden deutschen Segler bei Grün losgegangen sind. Diese können noch reagieren und knapp ein Anfahren vermeiden. In der Tat gibt es häufiger gefährliche Momente, wenn man als Segler von einer längeren Seestrecke entschleunigt in einer Stadt ankommt und sich erst wieder an die Hektik und das Tempo an Land gewöhnen muss. Und im manchen Ländern lebt man als Fußgänger gefährlicher als in anderen.
Ein Wetterfenster für die Überquerung der Biskaya tat sich auf. Inzwischen wollten neben uns noch ein französisches Boot  (nicht die Fußgänger) vom Typ Jouet 37 und zwei schwedische Boote (X 372, RM 1060) über die Biskaya und wir verabredeten gemeinsam um 08:00 abzulegen. Das gibt ein besseres Gefühl, wenn man nicht alleine ist. Beim Start gab es noch den Einfluss eines abziehenden Tiefs, das SW Wind mit 5 bis 6 Bft. bringt. Später machte sich ein Hochdruckgebiet in der Biskaya breit, der Wind drehte südlicher und nahm stetig bis auf Windstärke 3 Bft. ab. Wir hatten ein Reff im Groß und als wir uns von der Küste entfernt hatten, wurden Wind und Welle deutlich spürbar. Die Welle kam direkt von der Seite, der Wind ziemlich von hinten. Das Boot machte eine permanente Schaukel- und Schlingerbewegung, aber es ging am ersten Tag schnell voran.
Als wir am Nachmittag im Bereich des spanischen Kontinentalschelfs waren, an dem die Wassertiefe schnell von Hundert Meter auf mehrere Tausend Meter abfällt, tauchte plötzlich quer vor dem Bug ein großer Finnwal (etwa 20 m lang) aus dem Wasser auf. Die Entfernung war nur wenige Bootslängen und wir konnte durch starkes Ruderlegen gerade so eine Kollision vermeiden. Der Wal tauchte dann wieder ab und etwas entfernt hinter uns tauchten zwei von ihnen wieder auf. Auch eines der schwedischen Boote hat über Funk von den Walen berichtet. Später schaukelten wir weiter durch die helle Nacht, da es wolkenlos und nahezu Vollmond war. Es war aber auch ziemlich kalt und klamm. Wir hatten mehrere Lagen Kleidung an, um nicht zu frieren.

Vollmondnacht auf der Biskaya

Der zweite Tag entwickelte sich zu einem Wettlauf mit dem Kern des Hochdruckgebietes, dass tatsächlich hinter uns her zog und sich nicht tief in die Biskaya legte, wie erwartet. Der Wind nahm stetig ab und wir refften aus. Doch gegen Abend reichte der Wind nicht mehr, um schnell genug segeln zu können. Schaukeln mit wenig Vortrieb macht wenig Spass. Unsere Zeitplanung sah vor, dass wir wegen der Tidenströmung gegen 18:00 am dritten Tag in Camaret-sur-Mer ankommen sollten. Ansonsten hätten wir eine weitere Nacht auf See. Eigentlich nicht schlimm, wenn nicht dann stärkerer Nordost-Wind, also Gegenwind, drohen würde (und der dann tatsächlich auch kam!). Das wollten wir vermeiden und daher ging es unter Motor weiter durch die zweite Nacht und in den dritten Tag. Mit dem abnehmenden Wind verringerte sich nach und nach auch die Welle. Es wurde immer angenehmer.
Wir passierten die Isle de Sein westlich und benutzten das Hauptfahrwasser Richtung Brest. Exakt um 18:05 machten wir an einer Muringsboje in Camaret-sur-Mer fest und genossen den sonnigen Abend im Cockpit bei einem guten Essen und Rotwein. Am nächsten Morgen verholten wir uns bei Hochwasser an einen Fingerponton im Port du Notic. Wir freuen uns über den schönen Platz. Denn ab jetzt sind die Häfen wohl wieder nahezu voll und es gibt mehr als ein, zwei Handvoll Gästeboote wie in den meisten Häfen an der portugisischen Atlantikküste und Galiziens.
Zum Abschluss eine kleine Rechenaufgabe. Die beiden Fotos zeigen die Backbordtonne direkt vor unserem Liegeplatz. Einmal aufgenommen bei Niedrigwasser und einmal bei Hochwasser. Jeweils von unserem Boot. Wegen der Springzeit beträgt der Tidenhub hier 5 Meter. Wie weit ist die Tonne entfernt?

Niedrigwasser am Liegeplatz in Camaret-sur-Mer

Hochwasser am Liegeplatz in Camaret-sur-Mer

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