Elektromobilität liegt im Trend und wäre ökologisch ja durchaus zielführend, wenn der benötigte Strom regenerativ erzeugt wird. Wie auch immer, im Alltag trifft man sie nun immer häufiger und in mehr oder weniger sinnvollen Ausprägungen an. Unzählige Elektromietroller überfluten schon so manchen Innenstadtbereich. Segway-Gruppentouren dienen als Attraktion für Touristen insbesondere auf der belebten Strandpromenade. Achtung, Kreuzfahrer auf Landausflug! Auf vielen Binnenseen sind Elektroboote die einzige Alternative zum Rudern, da Boote mit Verbrennungsmotoren dort verboten sind. Fahrräder ohne Elektromotor sind fast schon zu einem Anachronismus geworden, obwohl Selbertreten doch eigentlich prima funktioniert. Schlussendlich gehören Elektroautos insbesondere der Marke T. in einigen Ländern, wie den Niederlanden, zum normalen Straßenbild.
Gibt es also nichts Besonderes mehr zu entdecken in Punkto Elektromobilität? Doch, eines der letzten großen Abenteuer der Elektromobilität bietet wohl deren Anwendung in der Berufsschifffahrt.
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Die
Elektroautofähre ELLEN am Anleger im Heimathafen Søby |
Wir hatten ELLEN im letzten Oktober kennengelernt. Wir lagen auf unserem Jahresabschlusstörn mit unserer MARRETJE einige Tage eingeweht im Yachthafen von Marstal im Osten der wunderschönen dänischen Insel Ærø. Von dort aus hatten wir gemeinsam mit Uli und Cornelia, die mit ihrem Boot neben uns lagen, eine Bustour auf die andere Seite der Insel nach Søby gemacht. Busfahren ist auf Ærø übrigens kostenlos. Eine tolle Idee, auch wenn die Busse (noch) mit Diesel fahren.
Und dort lag dann ELLEN, die weltweit größte elektrisch angetriebene Autofähre. Sie war zu dieser Zeit noch keine 2 Monate im Liniendienst im Einsatz. 60 Meter lang, 13 Meter breit, mit Platz für bis zu 250 Passagiere und 31 Autos. Die Batterien sind mit einem Speicher von insgesamt 4,3 MWh die größten, die jemals auf einem Schiff verbaut worden sind. Diese versorgen die zwei Antriebe mit je 750 kW Leistung und sorgen so für eine Reisegeschwindigkeit von 14 Knoten auf dem ca. einstündigen Weg nach Fynshav auf dem dänischen Festland, welches ca. 12 Seemeilen entfernt ist. Auf einen Not-Diesel als Back-up-System wurde verzichtet. D. h. das Aufladen mit regenerativ erzeugtem Strom muss in Søby zwischen den Fahrten immer genügend Batterieladung nachliefern, dass die Fähre sicher ein weiteres Mal hin und zurück fahren kann. Das Konzept von ELLEN ist also ein mutiges, zukunftsweisendes und hoffentlich erfolgsversprechendes Projekt.
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Die Stromtankstelle |
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Regenerativ erzeugter Strom zur Ladestation ... |
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… dann zu den Batterien auf der Elektrofähre |
An ELLEN erinnerten wir uns, als wir gemeinsam mit Uli und Cornelia überlegten, einen Ausflug zu unternehmen. Es wäre doch spannend im Winter eine Bootstour mit der Elektrofähre nach Ærø zu machen. Also fuhren wir am Samstag, den 8. Februar 2020, zu viert mit dem Auto von Flensburg nach Fynhav und nahmen dort die zweite Überfahrt des Tages nach Søby. Zuerst gingen wir zusammen mit den anderen etwa zehn Fußgängern über die Laderampe an Bord, dann folgten zwei Radfahrer und schließlich wurde das Autodeck fast vollständig gefüllt. Wir erkundeten das Schiff, tranken Kaffee im Salon und bezahlten beim Kontrolleur an Bord für die Hinfahrt zur Insel – die Fahrt von der Insel sei generell umsonst. Die Fahrt verlief trotz etwas Schaukelei völlig unspektakulär. Die Elektrofähre vermittelte einen vollkommen sicheren Eindruck. In der Landabdeckung von Skjoldnæs nahmen die Wellenbewegungen dann merklich ab und nach etwas über einer Stunde Fahrtzeit erreichten wir unseren Zielhafen auf Ærø. Eine schöne Überfahrt.
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Anlegen von ELLEN in Fynshav |
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Die Elektrofahrt beginnt: Ablegen in Fynshav |
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Regina an Bord von ELLEN |
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Einlaufen in Søby |
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Maul auf zum
Anlegen in Søby |
Wir planten die letzte Fähre des Tages um 16:10 zurück ans Festland zu nehmen. So hatten wir genügend Zeit eine ausgedehnte und tolle Wanderung von Søby aus um den Vitsø und auf die andere Inselseite zu machen. Es war ein typisches Ruhe-vor-dem-Sturm-Wetter, aber es blieb trotz einiger bedrohlich wirkender Wolken zum Glück die ganze Zeit trocken. Für Morgen war ja ein heftiger Wintersturm angekündigt.
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Am Strand bei Vitsø |
Gegen halb drei waren wir wieder im Ort und kehrten beim Bäcker ein. Den Kaffee und den leckeren Apfelkuchen mussten wir schneller als gedacht verspeisen, da der Bäckerladen bereits um 15:00 schließen wollte. Also leider wieder raus in die Kälte bevor wir auf die Fähre konnten. Wir schlenderten noch durch den ziemlich leeren Yachthafen und wunderten uns langsam, dass unsere Fähre noch nicht wieder in den Hafen eingelaufen war. Vesselfinder informierte uns darüber, dass ELLEN mit nur 11 Knoten unterwegs war und noch nicht einmal die Hälfte der Strecke geschafft hatte. Sie würde also erst ganz kurz vor der geplanten Abfahrtszeit hier eintreffen.
Dann gingen wir doch schon zum Fähranleger und Uli und Cornelia sahen es dann zuerst: eine Leuchtschrift informierte darüber, dass die kommende, vierte und letzte Abfahrt des Tages wegen technischer Probleme gestrichen wird.
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ELLEN's Fahrt zurück nach Fynshav fällt aus! |
Als ELLEN endlich da war, bestätigte das Fährpersonal kurz, dass die nächste Fahrt tatsächlich ausfällt und dass Morgen nur die erste Fahrt stattfinden soll, wenn bis dahin das technische Problem gelöst ist. Alle weiteren Fahrten werden dann wegen des Sturms sicher abgesagt. Es gab aber leider keine Hilfe, was nun alternativ zu tun sei.
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ELLEN bleibt nun leider hier am Fähranleger |
Auf Ærø zu übernachten und auf den nächsten Tag zu hoffen, um dann eventuell mit ELLEN die Überfahrt nach Fynshav machen zu können, war für uns keine verlockende Option. Die nebenan liegende Fähre SKJOLDNÆS, die normalerweise die Verbindung nach Faaborg auf Fünen herstellt, war auch keine Möglichkeit, da im Winter am Wochenende gar keine Fahrten stattfinden. Die einzige Möglichkeit, um die Insel jetzt noch zu verlassen, bot also die Fährverbindung zwischen Ærøskøbing und Svendborg. Zum Glück stand ein Umsonst-Bus bereit, der auf die Ankunft der Fähre gewartet hatte und der uns in einer halben Stunde nach Ærøskøbing bringen würde. Auch die beiden Radfahrer von der Fährfahrt am Morgen stiegen dort ein. Während der Busfahrt recherchierten wir im Netz, welche Reisemöglichkeiten dann später ab Svendborg bestehen würden, um zurück nach Fynshav zu gelangen. Wir kamen zu folgendem Ergebnis.
Plan A: Ankunft Bus in Ærøskøbing um 16:30, Abfahrt Fähre ab Ærøskøbing um 16:35. Ankunft Fähre in Svendborg um 17:50. Taxifahrt direkt ab Fähranlieger nach Bøjden, 40 Kilometer. Ankunft Taxi in Bøjden um 18:45. Abfahrt Fähre ab Bøjden um 19:00. Ankunft Fähre in Fynshav um 19:50.
Plan B: Ankunft Bus in Ærøskøbing um 16:30, Abfahrt Fähre ab Ærøskøbing um 16:35. Ankunft Fähre in Svendborg um 17:50. Spaziergang von einem halben Kilometer zum Bahnhof. Ab 19:02 Zugfahrt von Svendborg nach Flensburg mit 2 Umstiegen in Odense und Kolding. Ankunft am Bahnhof Flensburg um kurz nach 22:00. Am nächsten Tag mit einem Auto von Flensburg nach Fynshav und mit zwei Autos zurück nach Flensburg.
Um es vorweg zu nehmen: Plan A hat trotz der engen Zeitabstände perfekt funktioniert und das war auch sehr gut so. Denn bei Plan B drohte eine Übernachtung in Kolding, wenn die kurze Umsteigezeit von 8 Minuten dort nicht ausgereicht hätte.
Als wir in Ærøskøbing mit dem Bus ankamen, fuhren die Autos schon auf die Fähre mit dem Namen ÆRØSKØBING. Aber da die Bushaltstelle ganz in der Nähe ist und wir kein Ticket mehr kaufen mussten, konnten wir noch bequem zusteigen. Auf der Fähre bestellten die beiden Radfahrer auf Dänisch ein Großraumtaxi für 6 Personen und zwei Fahrräder zum Fähranleger in Svendborg. Die Fährgesellschaft erklärte sich bereit, die Kosten für diese Taxifahrt zu bezahlen. Nur die anschließende Fährfahrt nach Fynshav, die durch eine andere Fährgesellschaft abgewickelt wird, sollten wir dann doch selber bezahlen. Okay, für uns.
Die Fähre legte pünktlich in Svendborg an und das Taxi stand, wie vereinbart, bereit. Alle und alles fanden schnell Platz – die Fahrräder auf einem Gestell auf der Anhängerkupplung. Die Taxifahrt über die Insel Fünen erschien echt lang, aber nicht zu lang. In Bøjden war gerade noch ausreichend Zeit, um das Ticket zu kaufen, ehe wir auf die Fähre FYNSHAV zusteigen konnten. Dann an Bord angekommen, erging es uns so wie ELLEN zuvor: die Spannung fiel ab. Als die FYNSHAV in Fynshav festgemacht hatte, empfing uns ein ordentlicher Regenschauer beim Landgang. Doch wir waren einfach nur froh, endlich dort wieder angekommen zu sein.
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Unsere Hin- und Rückfahrt auf der Landkarte |
Ein Resümee zu unseren elektrisierenden Fährfahrt zwischen Fynshav und Søby und zurück:
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Die Hinfahrt war – Dank ELLEN – planmäßig in gut
einer Stunde, nach 22 Kilometern Seeweg und ohne CO2-Emissionen
erledigt. Diese neue Elektrofähre ist einfach
Klasse.
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Die Rückfahrt benötigte – Dank ELLEN – unplanmäßig
vier Stunden durch fast 20 Kilometer Landweg mit einem Bus, 26 Kilometer Seeweg
mit einer Fähre, weiteren 40 Kilometer Landweg mit einem Taxi und schließlich noch
15 Kilometer Seeweg mit einer zweiten Fähre. All diese Fahrzeuge fuhren mit
Verbrennungsmotoren und entsprechender CO2-Emission.
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Letztlich war alles viel abenteuerlicher als
erwartet. Das wahre Abenteuer der Elektromobilität von Autofähren besteht also
nicht darin, wenn sie fährt, sondern darin, wenn sie nicht fährt. Zu wünschen wäre, dass die Kinderkrankheiten
möglichst schnell behoben werden können, so dass ELLEN ein gutes Vorbild für
weitere Elektrofähren werden kann. Wir bewundern den Mut, solch ein innovatives
Konzept zu realisieren und zu erproben.
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Der ganze Tag hat uns wegen des guten Ausgangs
dann doch viel Spaß gemacht. Aber das nächste Mal besuchen wir Ærø lieber
wieder mit unseren eigenen Booten. Das ist dann mit noch mehr Vergnügen
verbunden und ökologisch ist es auch, jedenfalls wenn der Wind mitspielt.
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