So eine Pandemiewelle ist ja alles andere als eine perfekte
Welle, um auf ihr über die Meere zu surfen. In 2020 hat die COVID-19-Pandemie und
die politischen Maßnahmen zu deren Eindämmung für eine erhebliche Einschränkung
in unser aller Alltag gesorgt und bei uns gehört das Segeln natürlich im
Besonderen dazu. Zugegebenermaßen waren unsere maritimen Beeinträchtigungen
vergleichsweise gering, da wir und unser Boot zum Glück wieder in Flensburg
sind. Im Gegensatz dazu mussten befreundete Blauwassersegler den Start in eine
längere Seereise mehr oder weniger verschieben oder abbrechen, mussten ihr Boot
unplanmäßig und auf unbestimmte Zeit irgendwo liegen lassen, um mit einem der
letzten Flieger nach Hause zu kommen, steckten auf ihrem Boot irgendwo
langfristig fest, auch weil sie keinen Flieger mehr bekommen hatten oder
mussten sehr lange Seestrecken in Kauf nehmen, da die meisten Häfen auf dem Weg
ein Anlaufen verboten hatten. Von unseren eher undramatischen aber manchmal
doch recht bizarren Erlebnissen in unserer Segelsaison 2020 möchten wir hier nun
erzählen.
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Saisonbeginn: MARRETJE im noch leeren Heimathafen - virologisches Sperrgebiet
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Anfang März lag MARRETJE noch im Winterlager an Land und war
fast vorbereitet für die Saison. Das Unterwasserschiff hatten wir sogar schon
in den letzten warmen Tagen im Herbst mit neuem Antifouling gestrichen. Das hatten
wir zum Glück und zum ersten Mal so früh gemacht, also nicht bis zum Frühling
gewartet. Die einzige Arbeit, die wir im Winterlager noch erledigen wollten,
waren Ausbesserungen am Teakdeck. Mitte März stiegen dann die Infektionszahlen
und es wurde ein Lockdown verhängt. Die Folgen für uns Yachteigner waren, dass
alle Häfen von See und von Land gesperrt wurden, der Zutritt zum Winterlager
verboten wurde und sämtliche Boots- und Krantermine zunächst abgesagt wurden.
Außerdem war die Grenze zwischen Dänemark und Deutschland geschlossen worden
und Schleswig-Holstein erlaubte überdies keine Einreise für Touristen aus den
anderen Bundesländern.
Wir hatten unseren Krantermin noch vor Ostern
gelegt und wollten gerne einer Tradition folgend über Ostern nach Lyø
segeln. Daraus wurde nun nichts mehr und es war sehr fraglich, wann ein
Bootsbetrieb wieder erlaubt sein würden. Dann tat sich ein Schlupfloch auf, da
es nun plötzlich gewerblichen Betrieben erlaubt wurde, Boote zu kranen. Wir
gehörten zu den ersten, die nach Ostern einen Bootstransport und Krantermin
bekommen konnten und zwar nun direkt in Flensburg neben unserem Liegeplatz, so
dass kein unerlaubtes Auslaufen aus einem Hafen erforderlich werden würde. Der
Betreiber des Winterlagers erlaubte uns wieder den Zutritt, so dass wir
MARRETJE noch schnell transportfähig machen konnten. Es waren sehr wenige Leute
dort und die einzige Einschränkung bestand nun darin, dass die Toilette
geschlossen sein musste.
Den Kranvorgang selber durften wir nur aus sicherer
Entfernung beobachten. Die Leute des gewerblichen Bootsservices kümmerten sich
um den ganzen Vorgang und dürften sich dabei beliebig nahe kommen. Ein erstes
Bespiel dafür, dass das Virus wohl zwischen privat und gewerblich agierenden
Menschen unterscheiden können soll.
Als MARRETJE endlich schwamm haben wir sie ca. 100 Meter zum
Liegeplatz verholt, obwohl formell der Bootservice es hätte machen müssen. Wir
hatten gerade festgemacht, da fuhr das Patrouillenboot der Wasserschutzpolizei
durch den Hafen und wir winkten uns freundlich zu. MARRETJE lag jetzt die
nächsten 3 Wochen alleine am Steg und war für uns Sperrgebiet. Der Zugang zur
Marina war verboten, Strom und Wasser abgestellt und die Toiletten verriegelt.
Wir nutzten die ungewöhnlich segelfreien Wochenenden mit schönen Radtouren in
der Umgebung von Flensburg. Alles ziemlich entspannt, da keine auswärtigen
Touristen da waren. Etwas wehmütig konnten wir den dänischen Seglern zusehen,
denn auf den dänischen Seite waren die Marinas für einheimische Boote geöffnet
und es gab dabei keine Einschränkungen.
Nachdem das lange erste Maiwochenende vorüber war und bei
der Politik auch hierzulande die Einsicht bestand, dass Segeln keine Vollkontaktsportart
sei, wurden die Maßnahmen für den Segelsport gelockert. Mit Einschränkungen
stand uns als Zweiercrew nun die schleswig-holsteinische Küste offen. Endlich
konnten wir die Segel anschlagen und die erste Übernachtung an Bord hatten wir
nach einem kleinen Segelschlag in Langballig. Der Hafen war erfreulich und für Anfang
Mai ungewöhnlich leer, da dort das gemeinsame Kranen der Vereinsboote noch
nicht erfolgt war. Da Restaurants geschlossen sein mussten, praktizierten die
Fischbuden einen improvisierten Außerhausverkauf. Kein Problem, an Bord
schmeckt das Fischbrötchen sowieso am besten.
Am Himmelfahrtswochenende waren die dänischen Häfen für uns
immer noch geschlossen und die deutschen Häfen wurden zunehmend voller. Wir
machten einen tollen Törn in die Schlei. Mit günstigen Ostwind ging es mit
einer Übernachtung in Arnis bis nach Schleswig und dann mit günstigen Westwind
mit einem Stopp in Kappeln zurück. Der Wind war auch im Inland noch stark, so
dass wir fast die komplette Strecke segeln konnten. Nur vor und nach den
Brücken brauchten wir eine kleine Motorfahrt.
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Gemeinsames Ankern in der Flensburger Förde |
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Klappbrücke Lindaunis in der Schlei |
Am darauf folgenden Pfingstwochenende waren die dänischen
Häfen für uns immer noch geschlossen und die deutschen Häfen waren inzwischen
voll. In Wackerballig fanden wir keinen Platz mehr für unsere Größe und in der
Geltinger Bucht ankerten bei schönem Wetter so viele Boote wie wir es noch
nicht gesehen hatten. Da wir Freunde treffen wollten, suchten und fanden wir
noch einen von wenigen Plätzen in Gelting. Es waren fast unbeschwerte Tage,
auch wenn das Corona-Thema irgendwie immer präsent blieb.
Mitte Juni war es endlich soweit und Dänemark öffnete seine
Häfen zunächst für Schleswig-Holsteiner ohne weitere Bedingungen und dann auch
für alle anderen Bundesbürger, wenn sie fünf Übernachtungen gebucht hatten.
Wieder so eine merkwürdige Regelung. Wir nutzten diese Freigabe direkt am
ersten Wochenende zu einem Besuch von Høruphav. Wir konnten in der Box mit der
besten Aussicht liegen, da der Hafen noch ziemlich leer war. Die vielen
deutschen Festlieger dort konnten ihre Saison halt noch nicht beginnen. Schön
für uns. Anschließend hatten wir noch einen fantastischen Ankerstopp mit
Grillen am dänischen Strand gemeinsam mit der Crew von der PANTA RHEI. Es waren
wieder fast unbeschwerte Tage, auch wenn das Corona-Thema irgendwie immer
präsent blieb.
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Gemeinsames Ankern in der Sonderburger Bucht
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Dann kam Ende Juni auch schon unser Sommerurlaubstörn. Die
Häfen in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Dänemark und Schweden
standen für uns offen. Bei einem Besuch in Schweden drohte allerdings noch eine
14-tägige Quarantäne bei der Rückkehr, so dass es als Ziel leider nicht in
Frage kam, obwohl wir gerne nach Gotland gesegelt wären. Dennoch ging es
Richtung Osten; zunächst in einer Nachtfahrt nach Rügen. Wir blieben in Breege
und dann in Kloster auf Hiddensee jeweils mehrere Tage und erkundeten die
sehenswerte Umgebung. Schon bekannt, aber immer wieder schön war die Wanderung
von Kloster zum Leuchtturm Dornbusch. Für uns neu und auch schön war dann die
Wanderung entlang der Halbinsel Altbessin. Sehr empfehlenswert ist auch das
selbstgemachte Hiddenseer-Speiseeis.
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Im Hafen von Breege, Rügen
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Bereit zur Busfahrt auf Rügen |
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Strand bei Kloster auf Hiddensee
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Leuchtturm Dornbusch auf Hiddensee
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Wir auf Hiddensee
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Es folgte eine Rauschefahrt von Kloster auf Hiddensee nach Rønne
auf Bornholm, wo wir mehrere Tage in der Marina Nørrekås blieben und zufällig unsere
Segelfreunde von der HUMMELFLUG trafen. Von dort unternahmen wir Fahrrad- und
Bustouren über die Insel. Toll dabei, dass im Bus wie auch in Läden und
Restaurants keine Maske notwendig war. Das Bezahlen mit Bargeld war nicht
möglich, um den Busfahrer zu schützen. Die Highlights waren hier die Dünnen-
und Strandwanderung zwischen Dueodde und Snogebæk im Süden der Insel und der
schroffe, felsige Küstenweg um die Nordspitze bei Hammerhus.
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Rauschefahrt nach Bornholm |
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Rønne, Bornholm
 | Am Leuchtturm Dueodde, Bornholm
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Strand bei Dueodde, Bornholm
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Klippen bei Allinge, Bornholm
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Wir auf Bornholm
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Wanderung bei Hammerhus, Bornholm
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Hochsaison: MARRETJE im ziemlich leeren Hafen von Hammerhavnen, Bornholm
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Vom Hafen Hammerhavnen, unterhalb der beindruckenden Festung
Hammerhus gelegen, verließen wir Bornholm dann auch wieder Richtung Westen. Denn
auf die gemütlichen, kleinen und daher vollgepackten Häfen auf der Ostseite
Bornholm haben wir verzichtet. An diesem Segeltag ging es abends durch den
schwedischen Falsterbo-Kanal in den Öresund und nach einer Nacht vor Anker in
der Höllviken dann nach Dragør, ein gepflegtes historisches
Städtchen, welches ebenfalls zu einem längeren Aufenthalt einlud.
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Eine Hummel als Blinder Passagier, erst Stärkung mit Honig, dann Hummelflug
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Im Falsterbo-Kanal, Warten auf die Brückenöffnung
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Alte Lotsenstation von Dragør |
Die Reisewarnung für Schweden war jetzt plötzlich passé und
daher legten wir auf dem Weg durch den Öresund nach Norden noch einen Stopp in
Kyrkbakken auf der kleinen Insel Ven ein. Wir waren früh dort und quetschten
uns noch in eine Box bevor sich das Hafenbecken immer mehr mit Päckchen füllte.
Ein wirklich idyllischer Hafen, aber auch sehr teuer, was wohl an der unmittelbaren
Nähe zu Kopenhagen und Malmö liegt. Ven lässt sich prima mit dem Fahrrad
erkunden und umrunden. Deshalb sieht man überall Unmengen von gelben
Leihfahrrädern.
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Hafen und Kirche in Kyrkbakken auf Ven |
Unser nächstes Ziel war Ebeltoft. Dort blieben wir wieder
einige Tage, um eine Starkwindphase abzuwarten. In dieser Zeit unternahmen wir
eine tolle Wanderung in den nahegelegenen Mols-Bergen. Diese Berge sind
wahrlich nicht hoch, aber dennoch lassen die Steigungen und der weite Ausblick
vom Gipfel durchaus ein bisschen alpines Gefühl aufkommen. Eigentlich wollten
wir ursprünglich noch in der nahe gelegenen Knebelvig ankern. Doch nach den vielen
Tagen im Hafen wollten wir dann lieber wieder eine längere Strecke segeln. Von
Ebeltoft ging es daher in einer Nachtfahrt durch den Großen Belt direkt nach
Strande bei Kiel, im Wesentlichen, weil wir noch nie in diesem Hafen lagen und
um dort eine gute Pizza zu essen – mit Maskenpflicht im Restaurant.
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Panoramablick in den Molsbergen bei Ebeltoft
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Passage durch die Große-Belt-Brücke
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Am Leuchtturm Friedrichsort bei Kiel
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Den Abschluss des Sommertörns bildeten einige schöne
Ankerspots in der dänischen Südsee und dann ein Anlaufen von Aabenraa, weil wir
noch nie in diesem Hafen lagen, obwohl es so nah bei Flensburg gelegen ist. Außerdem
hatten wir noch das große Vergnügen die TIMEOUT, eine Bandholm 28, von Middelfart
nach Sønderborg
zu überführen. An den nächsten Wochenenden nach dem Sommerurlaub standen uns weiterhin
die gewohnten Ziele auf deutscher und dänischer Seite zur Verfügung. Es waren
dann fast unbeschwerte Tage mit tollen Treffen mit unseren liebsten befreundeten
Bootscrews, auch wenn dabei das Corona-Thema irgendwie immer präsent blieb.
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Sonnenuntergang in der dänischen Südsee
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Sonnenuntergang beim gemeinsamen Ankern |
Vor dem Herbsttörn Anfang Oktober stieg dann die Spannung,
ob die Grenze zu Dänemark pandemiebedingt noch offen sein würde. Doch
Schleswig-Holstein und Deutschland blieb gerade unterhalb der in Dänemark
angewendeten Schwelle des Inzidenzwerts von im Mittel 30 täglichen
Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern über die letzten 14 Tage. Inzidenzwert
ist auch so ein neuer Begriff dieses Jahres. Es konnte also Rund Fünen gehen.
Mit dem Uhrzeigersinn segelten wir bei günstigem Starkwind aus Südwest und
günstiger Nordströmung flott durch den Kleinen Belt. Nach Stopps auf Aarø,
in Middelfart und Kolby Kås legten wir in Ballen auf Samsø unseren längeren Aufenthalt
ein. In all diesen Häfen waren nur noch höchstens eine Handvoll Gästeboote
unterwegs, was wir irgendwie genossen. In Ballen lernten wir erfreulicher Weise
die Crew der BARA VARA – das Boot ist ebenfalls ein Koopmans-Design – kennen,
die wir auf einigen Stationen unserer weiteren Tour zurück nach Flensburg wieder trafen.
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Nachsaison: MARRETJE im fast leeren Hafen von Aarø |
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Am Leuchtturm von Aarø |
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Passage durch die Kleine-Belt-Brücke
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Auf Samsø |
Auf dem Rückweg durch den Großen Belt ging es zuerst nach
Agersø,
einer kleinen Insel vor Seeland. Dort machte ein Aushang vor dem kleinen
Kaufmannsladen darauf aufmerksam, dass mehrere Inselbewohner an COVID-19
erkrankt seien. Der Hafen war, evtl. auch deshalb, fast leer. Es bestand nun
auch in Dänemark Maskenpflicht in den Geschäften und Restaurants. Dann folgten noch
Lundeborg und Troense ehe wir in Faaborg eine Starkwindphase mit Nordostwind
abwetterten. Bei Hochwasser konnten wir gerade noch trockenen Fußes an Land gelangen
und wir nahmen von dort die kleine Fähre für einen Ausflug zur kleinen Insel Bjørnø,
weil wir dort noch nie waren. Sehr sehenswert, wir sollten irgendwann im Sommer
wieder hin. Auf dem Rückweg hatten wir auf der kleinen Fähre ein ungezwungenes
Gespräch mit einem älteren einheimischen Bauern, nachdem wir draußen im Freien
die Masken fallen gelassen hatten. Das kommt ja im Moment nicht mehr so häufig
vor, dass sich fremde Menschen einfach so ansprechen. Dieses Erlebnis zeigt,
wie sonderbar und fremdartig diese erzwungene, aber wohl notwendige soziale Distanzierung
(wieder ein typischer Begriff dieses Jahres) eigentlich ist.
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Am Leuchtturm von Agersø |
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Radtour auf Agersø |
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Die Fähre Lillebjørn holt uns bei Hochwasser wieder von Bjørnø ab |
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Gemeinsames Dümpeln in der Flaute: Pause bei Kaffee und Kuchen
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Kurze Zeit nachdem wir wieder nach Flensburg zurückgekehrt
waren, hat dann Dänemark tatsächlich die Einreise für Deutsche außer
Schleswig-Holsteiner verboten und eine Woche später für Deutsche inklusive
Schleswig-Holsteiner. Ein zweiter Lockdown steht nun im November 2020 an, Schleswig-Holstein
macht wieder für Touristen dicht und Dänemark ist zum Risikogebiet geworden,
nachdem sich dort u.a. Menschen und Nerze gegenseitig mit dem Coronavirus
angesteckt haben. Jetzt sind wir also wieder in einer steilen Pandemiewelle und
es ist gut, dass MARRETJE inzwischen an Land steht und dass diese Welle nun an
ihr vorbeizieht.
In der Pandemiewanne zwischen Anfang Mai und Mitte Oktober haben
wir immerhin fast 1.500 Seemeilen zustande gebracht. Wir haben dabei viele bekannte
und neue sehenswerte Orte besucht und - mit entsprechendem Abstand - liebe
Leute getroffen. Das ist doch irgendwie eine schöne Bilanz, trotz der
ungewöhnlichen Begleitumstände durch die COVID-19-Pandemie. Wie wird es wohl im
nächsten Jahr sein? Klappt es nächstes Jahr endlich wieder mit Ostern auf Lyø?
Und wenn nicht, scheitert es wenigstens nur am schlechten Wetter, dem sehr
frühen Termin oder leider doch auch an der Pandemie? Wir werden es sehen. Bis
dahin alles Gute und Gesundheit.
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Wir segeln gerne wieder in 2021
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