Die letzte Etappe in diesem Jahr führt
uns in die Loire nach Cordemais. Obwohl dieser Hafen in keinem unserer
Revierführer erwähnt wird, ist es unser Ziel, weil Marretje ja dort ins
Winterlager geht. Cordemais liegt in einem kleinen Seitenarm der Loire auf
halber Strecke zwischen der Mündung und Nantes. Ein Anlaufen ist nur bei
Hochwasser möglich und das idealerweise mit ansteigendem Pegel. An diesem
Tag ist dieses gegen 1400 der Fall. Unser Ausgangshafen Pornichet liegt an der
Küste etwas nördlich der Loiremündung. Die Strecke beträgt etwa 25 Seemeilen,
wir rechnen mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 5 Knoten und starten
daher gegen 0830 kurz nach dem Sonnenaufgang .
Die Wettervorhersage hat Nebel
und schwachen Wind aus SW angekündigt. Ersteres trifft zum Glück nicht zu und
wir können ohne Probleme im engen Fahrwasser durch die Untiefen zwischen den vorgelagerten
Felsen Les Evens und Les Trovens motoren. Danach geht es Kurs Richtung Süd bis
Südost und eine kleine Regenfront, die nördlich vorbeizieht, bringt etwas Wind,
der ein gemütliches Segeln für die nächsten gut fünf Meilen erlaubt. Auf der
rechten Seite sehen wir den ersten Offshore-Windpark Frankreichs, den der
Präsident der Republik (E. Macron) wenige Tage vorher eingeweiht hat. Also noch
ein Exot in der Energieversorgung Frankreichs, aber bis zu 49 sollen folgen.
Wir unterhalten uns darüber und ich erinnere mich kurz an die Einweihung einer
Biogasanlage, die ich in der Bretagne gebaut hatte, durch den Präsidenten der
Republik (F. Hollande) vor 5 Jahren. Biogas – weiterhin ein Exot in der
Energieversorgung Frankreichs.
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Segeln in die Loire |
Wir gelangen in das
Hauptfahrwasser der Loire bei Tonne 10 und der Wind verabschiedet sich. Wegen
der günstigen Strömung von 2 bis 2,5 Knoten muss der Motor aber nur auf
niedriger Drehzahl laufen, um die angestrebten 5 bis 5,5 Knoten über Grund zu
machen. Dann passieren wir den Hafen von Saint-Nazaire. Auch hier gibt es einen
alten deutschen U-Bootbunker und davor ein großes fast leeres Hafenbecken hinter einer
Schleuse. Also wäre da auch Potential für einen Yachthafen, aber im Moment sind Yachten dort
eher unerwünscht. Deshalb waren wir vor ein paar Tagen mit den Fahrrädern dort
und haben uns umgeschaut.
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Saint-Nazaire: Monument Americain, Mahnmal für amerikanische Soldaten des WK1 |
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Saint-Nazaire: Statuen le pull-over und le systéme digestif |
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Saint-Nazaire: Statue le pied |
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Saint-Nazaire: Fischerhütten am Ufer |
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Saint-Nazaire: Schleuse zum Innenhafen |
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Saint-Nazaire: U-Boot-Bunker und ein ziemlich leeres Hafenbecken
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Saint-Nazaire: rote Dreiecke als Kunst am Bau - auf den richtigen Blickwinkel kommt es an |
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Saint-Nazaire: Bunker mit Blick zur Loire-Brücke |
Die Durchfahrt unter der
mächtigen Loire-Brücke markiert die Hälfte der Strecke. Davor noch eine große
Schiffswerft, in der Kreuzfahrtschiffe gebaut werden, und danach Terminals für
Frachter und eine Raffinerie. Irgendwie schlau, diese Industrien und Logistik hier
im Mündungsbereich des Flusses anzusiedeln und nicht mehr in Nantes weit im
Inland.
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Werft Chantiers de l'Atlantique unterm Regenbogen |
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Die Loire-Brücke bei Saint-Nazaire |
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55 Meter Durchfahrtshöhe |
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Container-Terminal |
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Raffinerie bei Donges |
Am Südufer macht Paimboeuf einen
idyllischen Eindruck, da ist unser Ziel am Nordufer schon lange zu sehen: ein
riesiges Kohlekraftwerk mit bis zu 220 Meter hohen Schornsteinen. Wir müssen
rechtzeitig das Fahrwasser queren und werden noch überholt von einer
vollbeladenen Kohleschute, die Nachschub für das Kraftwerk liefert, und einer
großen Alu-Yacht, die allerdings weiter stromaufwärts fährt. Dann heißt es, die
enge Einfahrt in den Seitenarm aufgrund der Strömung nicht zu verpassen. Das
klappt, die Wassertiefe liegt bei etwas mehr als 3 Metern als wir um 1330 am
Anleger festmachen.
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Detailansicht der Seekarte: Loire und Bras de Cordemais |
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Aus der Loire vor dem Kraftwerk ... |
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... in die Einfahrt zur Bras de Cordemais |
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Tatzu-Nishi: Villa auf dem Schornstein, Kunstwerk an der Einfahrt |
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Am Anleger bei Hochwasser |
Die Tide befindet sich in der
Nippzeit bei einem Koeffizienten von 45. Mit unserem Tiefgang können wir aber
erst in 2 Tagen bei einem Koeffizienten von 70 geslippt werden. Wir liegen
derweil zwischen einer naturbelassenen Sumpflandschaft auf der einen und dem
riesigen Kraftwerk (2 x 600 MW) auf den anderen Seite. Während der Ebbe sinkt
das Boot nun jedes Mal etwas mehr in den weichen Schlamm, wobei dann der starke
Kühlwasserstrom des Kraftwerks den Schlamm aufwühlt und Sedimente austrägt.
Ohne das Kraftwerk wäre der Hafen also längst versandet. Da trifft es sich gut
für den Hafen, dass das Kohle-Kraftwerk nun doch länger weiterbetrieben wird
und nicht wie geplant in Kürze abgeschaltet wird. Als eines von nur zwei
Kohlekraftwerken bleibt es also bis auf Weiteres ein Exot in der
Energieversorgung Frankreichs und verbraucht dabei bis zu 5500 Tonnen Kohle jeden
Tag. Doppelter Effekt: Kühlwasser als Spülwasser und CO2-Emissionen
für mehr Meeresanstieg.
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Das Wasser wird zeitweise recht trübe ...
 | ... und manchmal sogar richtig schlammig
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Bras de Cordemais mit Kraftwerk bei Niedrigwasser |
Wir bereiten das Schiff schon ein
wenig für den Winter vor, schlagen die Segel ab, wobei wir von einem Schwarm
Wanzen belästigt werden, und machen uns mit den Besonderheiten des Slippens und
des Winterlagers vertraut. Nachdem eine zu schwere Stahlyacht – die Rede war
von 20 Tonnen – in mehreren Versuchen nicht an Land gezogen werden konnte und
wieder an den Anleger zurückkehrte, sind wir an der Reihe. Die Schwierigkeit
besteht nun darin, dass man genau mittig zwischen 2 Stangen auf den Slipwagen
zufährt, so dass der Kiel zwischen den hinteren Auflagern hindurchpasst. Im
zweiten Schritt heißt es wieder kräftigt Gas geben bis der Rumpf vorne
ausreichend aufliegt. Etwas mulmig, da der Trecker ja nicht weit weg ist.
Nachdem die Lage des Rumpfes auf dem Slipwagen stimmt, werden wir mit dem Boot
die Rampe hoch an Land gezogen und müssen dort vor dem Straßentransport leider
aussteigen. Nach dem Abspritzen des Unterwasserschiffs durch den Chef persönlich wird Marretje dann tatsächlich neben die Flying Cloud gestellt.
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Abgebrochenes Slippen: dieses Stahlschiff war da noch zu schwer |
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Marretje auf dem Slipwagen |
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bereit zum Straßentransport |
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Abspritzen des Unterwasserschiffs inklusive |
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so geht Einlaufen im port-a-sec |
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Am Liegeplatz auf soliden, nagelneuen Stützen und ... |
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... direkt neben der Flying Cloud von Penny und Neil |
Wir wohnen noch ein paar Tage an
Bord, wobei sich Bordleben an Land wirklich komisch und ungewohnt anfühlt und
in der Tat etwas umständlich ist. Jetzt wird nach und nach der Motor und das
Boot winterfest vorbereitet und da das Wetter noch gut ist, streichen wir sogar
schon das Antifouling für die nächste Saison.
Der Ort ist wirklich nicht groß,
aber er wirkt intakt und hat einiges zu bieten: ein Restaurant, welches Pizza
auf der Speisekarte hat, diese aber in einem Pizzaautomaten verkauft (haben wir
tatsächlich ausprobiert), ein Campingplatz, auf dem wir Wäsche waschen durften,
ein Lebensmittelgeschäft, das ausreichend gut sortiert war, ein Bäcker, der
leckeren bretonischen Schokoladenkuchen hatte, eine Dorfkneipe als Treffpunkt,
eine Schule, einen Sportplatz mit Kunstrasen und ein Hallenbad.
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Fußweg vom Trockenhafen ...
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... in den Ort |
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Pizza-Automat: jederzeit warme Pizza in nur 3 Minuten |
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Schokokuchen essen ... |
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... und Wäsche trocknen ... |
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... auf dem aufgebockten Boot |
Dann hieß es Abschied nehmen bis
zum Frühjahr und das mit einem guten Gefühl, da Marretje hier in Cordemais wirklich gut
aufgehoben ist. Jedem, der sein Boot einmal hier an der französischen Biskaya-Küste an Land stellen möchte, können wir diesen port-a-sec nur wärmstens empfehlen.
Für Industrieromantiker gibt es hier noch weitere Impressionen vom größten Kohlekraftwerk Frankreichs.
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