Erster Vollmond im Frühling

Als wir unseren Sliptermin festlegten und unsere Reise zurück zum Boot nach Cordemais in Frankreich planten, hatten wir natürlich keine Vorstellung, wie sensibel und kritisch diese Entscheidung dann tatsächlich sein würde. Unsere Kriterien galten zuerst den Randbedingungen des Bootes: wir wollten immerhin noch bis zum Beginn des Frühlings warten in der Hoffnung auf dann besseres Wetter, benötigten bei unserem Tiefgang von 1,9 m einen Koeffizienten der Tide von über 67, um überhaupt genügend Wasser zu haben, und eine Uhrzeit für das Hochwasser, die es uns erlaubt den Hafen direkt zu verlassen und noch bei Tageslicht aus der Loire fahren zu können. Wir wollten möglichst nicht direkt zu Saisonbeginn im Schlamm im Hafen Cordemais trockenfallen.

So wurde Montag, der 3. April, gegen 16:00 mit dem Betreiber unseres Winterlagers vereinbart. Im nächsten Schritt ging es um die Reise. Wir wollten vorher noch ein paar Tage auf dem Boot sein, um alles vorzubereiten, und wir wollten uns gerne noch Nantes anschauen, wenn wir schon einmal da sind. Der Flug von Hamburg nach Nantes und die Übernachtung wurden demnach für Montag, Dienstag oder Mittwoch vor dem Sliptermin in Erwägung gezogen. Zum Glück entschieden wir uns für den Dienstag. Denn am Montag, den 27. März, fand dann in Deutschland ein krasser Warnstreik statt, der den kompletten Bahn- und Flugverkehr zum Erliegen brachte. Somit Ende der Reise. Als wir uns an unserem Reisetag morgens um halb sechs zum Flensburger Bahnhof mit viel Zeitreserven auf den Weg machten, war da noch eine große Unsicherheit. Es hieß: der Bahnverkehr normalisiert sich langsam. Aus Hamburg war noch kein Zug wieder hoch in den Norden gekommen. Daher waren wir froh, dass ein Zug am Bahnsteig bereit stand und es sogar pünktlich los ging. Bis auf einen kurzen Zwischenstopp auf freier Strecke, der uns natürlich etwas Sorgen bereitete, kamen wir gut und mehr als rechtzeitig zum Flughafen.

Denn: Lotsenstreik in Frankreich und unser Flieger aus Paris kam mit einer Verspätung von einer Stunde an. Aber er kam immerhin und flog mit uns entsprechend verspätet zurück. In Paris hatten wir zum Glück 3 Stunden Aufenthalt, so dass der Weiterflug nach Nantes nicht gefährdet schien. Doch auch dieser war vom Lotsenstreik betroffen. Diese Mal saßen wir schon im Flieger und mussten noch eine Stunde warten bis es dann doch weiter ging. Als wir unsere Vermieterin über die Verspätung informierten, sagte diese: es könnte sein, dass der Flughafenbus nicht ins Zentrum fahren kann und wir einen längeren Weg laufen müssten?! Der Flughafenbus fuhr direkt nachdem wir eingestiegen waren ab und er fuhr bis ins Zentrum. Wir waren dann die letzten Fahrgäste und bahnten uns unseren Weg vorbei an ausgebrannten Mülltonnen zu unserem Appartement. Die Folgen einer landesweiten Demonstration gegen die Sozialpläne von Macron, die vor Kurzen hier stattfand. Hoch in den vierten Stock mit den Gepäck (2 x 23 kg) über enge, steile Treppen. Aber egal, wir waren da und die Wohnung war echt schön. Dann noch Crêpes und Cidre – die Bars im Sudentenviertel waren gut besucht zum Feiern nach der Demo.

In Nantes nach der Demo: geplünderte Geschäfte ...

... und ausgebrannte Mülleimer

im Studentenviertel ...

... volle Bars (oben rechts) nach der Demo

Angekommen am Appartement ...

und sicher drin

Am nächsten Tag machten wir unser Sightseeing in Nantes bei bestem Wetter bis 20°C – ideal, so haben wir es uns vorgestellt. Vormittags die historischen Sehenswürdigkeiten im Zentrum und nachmittags die Machines del I’Île inklusive einem Ritt auf dem riesigen Elefanten. Ein wirklich interessanter Tag. 









Am Donnerstagmittag warteten wir dann vergebens auf den Bus nach Cordemais – Verbindung gestrichen. Der letzte Teil der Reise sollte also nicht wie geplant funktionieren. Aber das konnten wir am ehesten verschmerzen, denn es gibt noch eine Bahnverbindung. Also zu Fuß zum Bahnhof, mit einer Handvoll Fahrgästen in die Regionalbahn und als Einzige in Cordemais aussteigen. Der Nachteil des Bahnhofs besteht allerdings darin, dass es nun 4 Kilometer bis zu unserem Boot sind statt nur 1,5 Kilometer von der Bushaltestelle im Ort. Also eine kernige Wanderung mit dem Gepäck, bei allerdings immer noch schönem Wetter. Eine knappe Stunde später nimmt uns MARRERTJE wohlbehalten in Empfang und unsere Anreise hat eine glücklichen Ausgang gefunden.

Das mit dem schönen Wetter hält leider nicht mehr lange an. Die nächsten beiden Tage gibt es Schauer mit Windböen mit bis zu 8 Bft aus West. Ein sonderbares Gefühl bei diesen Bedingungen in einem Boot an Land zu wohnen. Am Sonntag lässt der Wind endlich nach und wir können doch noch die Segel anschlagen bevor es ins Wasser geht. Der kurze Landtransport mit stehendem Mast und das Slippen funktionieren dann routiniert und problemlos. Kurze Zeit später motoren wir schon aus dem Seitenarm des Hafens in die Loire. Bei leichtem Ostwind und mit der Strömung geht es zügig flussaufwärts. Bessere Bedingungen, um aus der Loire in die Biskaya zu fahren, hätte es kaum geben können. Die Welle, die beim starken Westwind noch über 4 Meter betragen hatte, ist nun mit unter 1 Meter sehr angenehm. Kurz vor Sonnenuntergang erreichen wir die Marina von Pornichet und machen längsseits am Gästesteg fest. Wir fühlen uns sehr zufrieden – auch wenn uns wieder eine kalte Nacht nahe der Frosttemperatur erwartet. Man kann halt nicht alles haben.

Der Landtransport aus dem Winterlager

Au revoir Cordemais

In der Loire der Sonne entgegen

In den nächsten Tagen geht es auf eher kurzen aber schönen Segelschlägen nach Pornic, L’Herbaudiere und schließlich Port Joinville auf der wunderschönen Ile d’Yeu. Hier sind wir also am Fest, welches am Sonntag nach dem ersten Vollmond im Frühling stattfindet: Ostern.




Kommentare

Unknown hat gesagt…
Liebe Regina, lieber Bernd. Wie schön, dass ihr wieder auf See seid und die Freiheit genießen könnt. Immer wenn man Herausforderungen gegenüber steht, ist man ganz wach und lebendig. Und bei Bewältigung entsteht ein Glücksgefühl. Ich wünsche euch viele solcher Momente.