Von Blockadehochs und gefährlichen Einfahrten

Standort Viveiro in Galizien – Entfernung zum Raz de Sein 290 sm in 025°

Die Hochdruckgebiete, die seit Wochen stabil über Großbritannien liegen und wohl noch weitere Wochen dort liegen werden, haben nun eine funktionale Bezeichnung bekommen: Blockadehochs. Sie führen nämlich dazu, dass die über den Atlantik kommenden Tiefdruckgebiete blockiert und in den Mittelmeerraum abgelenkt werden und dort für regnerisches Wetter sorgen. Für uns bedeutete es, dass unser Weg direkt über die Biskaya zur Nasenspitze bei der Raz de Sein weiterhin durch den starken Nordostwind eigentlich unmöglich ist. Wir fühlten uns zunächst blockiert. An der Wetterlage war allerdings auffällig, dass es vor der nordspanischen Küste immer einer Streifen gab, in dem der Nordostwind seinerseits blockiert wurde und dort leichte Wind aus anderen Richtungen herrschten. Diesen Effekt wollten wir nutzen und soweit entlang der nordspanischen Küste fahren, bis sich von irgendwo ein gutes Wetterfenster für den Sprung über die Biskaya zeigen würde.

Nochmals unser Langzeitliegeplatz in Viveiro

Standort Luarca in Asturien– Entfernung zum Raz de Sein 280 sm in 015°

Nachdem die Welle, die in die Bucht von Viveiro lief, nur noch ca. 1,5 Meter betrug, brachen wir endlich auf. Unser ersten Stopp nach etwa 50 sm wurde der Fischerhafen von Luarca, welchen wir bereits auf dem Landweg besucht hatten. Die fünf leeren Gästebojen im Schwell direkt neben der Einfahrt zum Außenhafen ignorierten wir und machten im gut geschützten Innenhafen an einem Fischkutter fest. Da es Samstag war, mussten wir nicht befürchten, dass der Fischkutter am nächsten Morgen aufbrechen würde. Die Atmosphäre rund um den Innenhafen war sehr lebendig und wir wurden als einziges Gästeboot mit Livemusik unterhalten. An Land gingen wir nicht mehr.

Luarca: Unser Liegeplatz am Fischkutter ...

... im Innenhafen

Standort Gijón in Asturien – Entfernung zum Raz de Sein 275 sm in 008°

Am nächsten Tag auf dem Weg von Luarca nach Gijón bliebt es zunächst schwachwindig. Später konnten wir immerhin zwei Stunden bis zum Cabo Peñas segeln. In der Marina Deportivo de Gijón machten wir nach zehn Stunden Fahrt am Anmeldesteg in der Nähe des Hafenbüros fest. Dort blieben wir zwei Nächte und schauten uns die echt sehenswerte Stadt an. Der günstige Wind für die direkte Überquerung der Biskaya war immer noch nicht in Sicht.

Die Hafenpromenade in Gijón

Der Anmeldesteg in der Marina Deportivo de Gijón

Der Sidra-Baum

Standort Lastres in Asturien – Entfernung zum Raz de Sein 275 sm in 004°

Der nächste Tagesweg entlang der Küste nach Lastres war mit etwas über 20 Seemeilen eher kurz, aber schön. Wir konnten bei Wind mit Stärke 4 aus NNO Richtung Osten bis zum Cabo Lastres segeln. Um die Ecke in den Fischerhafen ging es dann unter Motor. Es gibt genau zwei Gästeplätze im sogenannten Transitbereich und wir bekamen den zweiten ab. Die Türen zu den Stegen waren verschlossen und der Hafenmeister erschien nicht, obwohl wir uns gemeldet hatten. Daher sprachen wir das andere Schiff an, eine spanische HR36 aus Sada unter polnischer Flagge. Wie wir inzwischen gelernt haben sind ziemlich viele spanische Schiffe in Polen angemeldet, ist wohl einfacher. Sie hatte zum Glück schon einen Schlüssel bekommen und wir verabredeten, dass sie uns nach unserem Landgang wieder auf den Steg lassen würden. Unser Liegeplatz bot einen herrlichen Blick auf den historischen Ort, der sich einen Hang hinauf zieht. Eine Traumkulisse mit dem einen kleinen Makel, dass es im Hafen ziemlich schwellig war. Wir brachen nach dieser einen Nacht kurz nach Sonnenaufgang weiter entlang der Küste gen Osten auf.

Der Fischerhafen von Lastres

MARRETJE am Transitsteg in Lastres

Alle beiden Gästeboote

Standort Santander in Kantabrien – Entfernung zum Raz de Sein 285 sm in 351°

Dieser Tagesweg nach Santander war mit über 70 Seemeilen ziemlich lang. Für den möglichen Zwischenstopp in Ribadesella passte die Tide leider nicht. Die Annäherung an Santander im Abendlicht war echt spannend. Es ging zwischen der Peninsula de la Magdalena, auf dem sich ein mächtiger Palast befindet, und der Isla de Mouro ins Hauptfahrwasser. Auf der linken Seite lange Sandstände und auf der rechten Seite die Stadtkulisse und anschließend der Industriehafen. Die Marina Cantabrico befindet sich weiter flussaufwärts direkt am Flughafen. Wir machten direkt am Tankstellensteg fest und verbrachten die Nacht dort bis uns der erste Flieger weckte.

Einfahrt nach Santander: Backbord einsame Strände

Steuerbord schroffe Felsen

Unser Liegeplatz an der Tankstelle

Standort Laredo in Kantabrien – Entfernung zum Raz de Sein 285 sm in 348°

Um 09:00 öffnete die Tankstelle und wir konnten mit vollem Tank weiter – allerdings immer noch nicht über die Biskaya. Es wurde eine Fahrt nach Laredo mit sogar relativ viel Segelanteil. Der Yachthafen von Laredo ist ziemlich neu und groß angelegt. Er bietet noch viele freie Plätze für Gäste und gute Serviceeinrichtungen. Das Hafenmeistergebäude ist gigantomanisch dafür, dass es defacto nur 2 Schreibtische beherbergt. Wir blieben zwei Nächte und entdeckten wirklich schöne Ecken in der historischen Altstadt und in der näheren Umgebung.

Hier hätte auch sehr gut der Hafen sein können, in dem wir länger auf den günstigen Wind für die Überquerung warten würden. Denn eigentlich wollten wir nicht weiter hinein in die Biskaya, weil wir dieses als eine Falle empfanden. Wir kamen ins Gespräch mit einem Nachbarboot, einer Victoire 1044 und somit ebenfalls ein Design von D. Koopmans, so wie unsere Breehorn 37. Es stellte sich heraus, dass sie die komplette Biskaya ausgefahren hatten inklusive der Häfen von Arcachon und Capbreton, die als gefährlich gelten und die für uns immer ein absolutes No-Go waren. Die Gefährlichkeit von Capbreton bestätigten sie, aber bei wenig Welle sollte es eigentlich gehen. Sie verkauften uns den Kartensatz für diese Region, den wir trotz mehrmaligem Überlegen nie gekauft hatten, da wir es für unwahrscheinlich hielten, dass wir ihn je gebrauchen würden. Und sie erzählten, dass es eine spezielle Navigationsapp für die Einfahrt in die Bucht von Arcachon gibt: e-navigator. Die Einfahrt verändert sich nämlich von Jahr zu Jahr so stark, dass in der Seekarte keine Tonnen eingetragen sind. Man soll diese bei der Einfahrt mit dem Fernglas suchen und sie sind weit auseinander und fehlen manchmal, weil vertrieben. Wir waren nun aber gut vorbereitet für weitere Abenteuer als Alternative zur derzeit unmöglichen direkten Überfahrt.

Das bescheidene Hafenbüro in Laredo

In der Altstadt von Laredo

Tunnel in Laredo

Standort Xumaia im Baskenland – Entfernung zum Raz de Sein 305 sm in 339°

Einen weiteren Hafen an der spanischen Nordküsten liefen wir dann doch noch an, Xumaia im Baskenland. Nach einer ruhigen Überfahrt mit etwas Segelanteil passierten wir den langen Seekanal und wurden von unseren Freunden Penny und Neil von der FLYING CLOUD in Empfang genommen. Wir machten einen abendlichen Bummel zur Altstadt auf den anderen Flussseite und hatten ein fantastisches Tapa-Essen gemeinsam. Sie erzählten auch von ihren Erlebnissen mit der Ansteuerung von Arcachon und Capbreton. Sie hatten ungefähr einen Meter Welle und es war schon ziemlich schaukelig. Aber bei der jetzigen Welle von unter 0,5 Metern sollte es kein Problem geben, wenn das Timing stimmt. Die Entscheidung war gefallen, dass wir es wagen würden.

Ansteuerung von Xumaia

Im Seekanal von Xumaia

MARRETJE und FLYING CLOUD nebeneinander in Xumaia

Lecker Tapas-Essen mit Penny und Neil von der FLYING CLOUD

Standort Capbreton in der Nouvelle-Aquitaine – Entfernung zum Raz de Sein 300 sm in 332°

Wir mussten kurz vor Sonnenaufgang in der Morgendämmerung aufbrechen, um die über 40 Seemeilen bis zur Einfahrt Capbreton rechtzeitig bis um 15:30 zu schaffen. Bis um zehn Uhr war es einen Motorfahrt. Dann setzte ausreichend Thermik ein und wir konnten bis vor den Hafen segeln.

Ausfahrt von Xumaia im Morgengrauen

Das Gefahrenpotential bei der Einfahrt von Capbreton entsteht durch die geologische Besonderheit, dass sich in der Biskaya ein gigantischer, keilförmiger Unterwasser-Canyon befindet, dessen Spitze genau auf den Hafen zeigt. Wenige Seemeilen vor der Küste beträgt die Wassertiefe noch über 1000 Meter und steigt dann schnell auf wenige Meter an. Wenn die atlantische Dünung entlang dieses Canyons auf die Küste läuft, dann werden die Wellen auf dem Weg immer höher und können dann sogar in der Einfahrt brechen. Zahlreiche Videos im Netz zeigen dieses.

Wir hatten das Glück, dass wir Capbreton anlaufen konnten, weil die Wellenhöhe unter 0,5 m betrug und sich keine Wellenberge aufbauten. Ansonsten hätten wir auf diesen Hafen verzichtet. Wir erwarteten also eine ruhige Einfahrt, doch wir wurden überrascht. Vor der Einfahrt befanden sich mehrere Seenotrettungskreuzer, viele Fischkutter und Freizeitboote geschmückt mit Flaggen.

Wir bargen um exakt 15:30 und somit 2 Stunden vor Hochwasser die Segel und näherten uns vorsichtig der Einfahrt. Es strömten immer mehr Boot aus der Einfahrt und die Promenade war voller Schaulustiger. Die Ansteuerung der Einfahrt soll auf der linke Seite erfolgen, da die rechte Seite versandet ist. Da befand sich aber der Gegenverkehr aus dem Hafen. Als sich die ersten Boote bereits anschickten, wieder in den Hafen zu fahren, tat sich eine kleine Lücke auf, die wir nutzten. Eng an den entgegenkommenden Booten vorbei ging es im Schwell der Fahrzeuge durch den Seekanal und dann im hohen Tempo in einem scharfen engen Bogen in den Hafen. Wir legten direkt in der ersten Box am Besuchersteg an und atmeten erst einmal tief durch – geschafft!

Dann fiel uns die kleine Tafel vor unserem Boot auf, die auf einen maximalen Tiefgang von 1,2 m hinwies. Und das mitten im Hafenbecken. Hier konnten wir also nicht bei Niedrigwasser bleiben. Um uns herum entstand nun heftiger Schiffsverkehr durch vielen die Boote, die Besucherfahrten am Fête de la Mer durchführten.

Beim Einchecken bekamen wir einen neuen Liegeplatz an einem Hammerhead weiter innen im Hafen und die obligatorische Flasche Wein, die hier jeder Gastlieger bekommt. Welch eine Anerkennung. Etwas später zogen wir zu unserem Liegeplatz um und besuchten das Hafenfest, dass zum Glück abends ohne laute Veranstaltungen zu Ende ging. Die Gästestege blieben übrigens komplett leer.

Vor der Einfahrt in den Seekanal von Capbreton

Gästefahrten im Seekanal

Strand und Seekanal von Capbreton

Diese Flasche Wein als Belohnung für die mutigen Gastsegler


Standort Arcachon in der Gironde – Entfernung zum Raz de Sein 265 sm in 325°

Wenn man von Capbreton nach Arcarchon will, dann benötigt man zwei Hochwasserzeiten bei Tageslicht, sonst muss man über Nacht fahren. Wir hatten das Glück, dass dieses gegeben war. Es ging in Capbreton um 06:00 bei ersten Büchsenlicht los und es lagen ca. 60 Seemeilen bis zur Ansteuerungstonne ARC-ATT vor Arcachon vor uns. Die Thermik setzte dieses Mal um 11:30 ein und wir segelten am Wind gen Norden. Als wir etwas 20 Seemeilen vor der Ansteuerung zur Arcachon-Bucht waren, meldete sich die Küstenfunkstelle und fragte nach unserem Ziel. Auf die Antwort Arcachon hin, wurde nach der Anzahl der Personen an Bord gefragt und uns wurde mitgeteilt, dass wir nicht vor 17:30 ins Fahrwasser könnten. Wir sollten am Funk standby bleiben und wir würden begleitet werden.

Mit dem schönen Wind wären wir zu früh gewesen. Doch dieser drehte auf Nord, so dass wir auf der nun notwendigen Kreuz ausreichend lange Zeit benötigten, um exakt um 17:30 an der Ansteuerungstonne die Segel zu bergen. Mit Hilfe der App und dem günstigen Abendlicht fanden wir zwischen den Sandbänken die Fahrwassertonnen, die in der Seekarte eben nicht verzeichnet sind, da sie sich zu schnell verändern. Der Schwell war vernachlässigbar und der Anblick der Dünne Pilat beeindruckend. Zwei Stunden später machten wir am Anmeldesteg an der Hafeneinfahrt fest und blieben dort über Nacht, da das Hafenbüro schon geschlossen war.

Beim Einchecken am nächsten Morgen bekamen wir einen neuen Liegeplatz an einem Hammerhead weiter innen im Hafen und die obligatorische Flagge, die hier jeder Gastlieger bekommt. Welch eine Anerkennung. Hier blieben wir eine zweite Nacht (hier ist der Preis für eine und zwei Nächte gleich) und nutzten den Hafentag für eine kurze Fahrradtour inklusive Austernessen an der Bucht bei einem Austernfischer. Hier könnte man gerne noch länger bleiben, was die große Anzahl an Booten beweist. Doch wir müssen die Bedingungen im Auge behalten, damit wir es aus der Bucht auch wieder hinaus schaffen.

Einfahrt in die Arcachon-Bucht durch veränderliche Sandbänke

Sonnenuntergang im Hafen von Arcachon

Ein leckeres Mittagessen beim Austernfischer und ...

... diese Flagge als Belohnung für die mutigen Gastsegler

Standort Les Sables , Port Olona in der Vendée – Entfernung zum Raz de Sein 160 sm in 308°

An nächsten Tag entscheidet die Tide, dass wir um kurz nach sieben Uhr ablegen müssen. Nur so haben wir die günstigen Bedingungen für die Passage durch die Sandbänke. Die App, das Morgenlicht und vor allen unsere alte Spur im Plotter sorgen für eine problemlose Fahrt. Wir werden nur beim Segelsetzen durch zwei neue Militärschiffe mit noch eingepackten Kanonen überholt, die ein AIS-Signal aus Saudi-Arabien aufweisen. Diese Mal haben wir früh den thermischen Wind und er schläft zunächst am frühen Nachmittag ein. Dieses Mal fahren wir nicht brav in der Küstenzone sondern mutig durch die ausgewiesenen Schießgebiete, die sich bis 50 Seemeilen vor der Küste erstrecken. Denn dort halten sich auch einige Fischkutter auf. Andere Freizeitboote gibt es unterwegs, wie auch an den letzten Tagen hier nicht. Wir hoffen, dass wir per Funk gewarnt werden, bevor wir zum Ziel werden.

Am Abend setzte endlich wieder Wind ein, aus NNE später ostdrehend mit Stärke 3 bis 4. Es wird eine fantastische Segelstrecke durch die Nacht. Das Meer ist flach wie auf einem Binnensee und MARRETJE nimmt mit 6 bis 7 Knoten reichlich Fahrt auf. Es gibt also keinen Grund in die Gironde oder nach LA Rochelle abzubiegen. Kurz nach Sonnenaufgang sind wir vor der Einfahrt zu Seekanal in Les Sables und wir bergen die Segel. Wir machen am Anmeldesteg des Port Olona fest. Das Büro hat schon geöffnet und uns wird die Box C12 zugeteilt mit dem Kommentar, dass wir ja nicht so groß seien. Bei der Einfahrt in die sehr lange Gasse stellen wir fest, dass dort auf beiden Seiten nur Boote mit max. 9 Meter Länge liegen und dass die Gasse entsprechend schmal ist. Der erste Versuch die Box vorwärts anzulegen misslingt, da Bernd zu viel Respekt vor dem herausstehenden Bugspriet des Nachbarboots hat. So ergibt es sich, dass wir besser rückwärts anlegen sollten. Dieses gelingt aber nur mit großer Unterstützung eines Mannes, der auf dem Nachbarsteg zur Morgentoilette unterwegs war und uns zur Hilfe geeilt ist. Am nächsten Tag zeigt sich beim Empfang für Jeremy Bagshaw, einem der fünf erfolgreichen Segler des Golden Globe Race, dass dieser hilfsbereite Mann der Fotograph für dieses Event ist.

Letztlich war dieses Anlegemanöver nach den fast 520 Seemeilen zwischen Viveiro und Les Sables und somit zum Ende unserer Biskaya-Überquerung in Etappen nach der Einfahrt in Capbreton der zweite der gefährlichen Momente. Ab jetzt werden übervolle Häfen leider wohl unsere Begleiter auf dem weiteren Weg in den Norden bleiben. Wir vermissen daher die leeren Häfen und die tollen Landschaften in Nordspanien direkt wieder.

Die siegreichen Golden-Globe-Boote erwarten
 
den letzten erfolgreichen Finisher

Jeremy Bagshaws letzten Meter auf See

Jeremy Bagshaw fest am Steg in Les Sables nach der Weltumseglung

Am Wochenende ist Siegerehrung




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