Unser Herbsttörn fällt weitgehend ins Hochwasser

 Sehr schwere Sturmflut in Flensburg

Wir hatten ja in dieser Saison einige potentiell gefährliche Situationen gut überstanden: die Überquerung der Biskaya, die Hafeneinfahrt nach Capbreton, die Ansteuerung des Beckens von Arcachon, die Passagen des Raz de Sein, des Alderney Race und des Schluchter-Fahrwassers bei Norderney. Aber die bei weitem gefährlichste Situation erlebte MARRETJE dann ausgerechnet im Heimathafen bei der Jahrhundert-Sturmflut in Flensburg in der Nacht vom 20. auf den 21.10.2023. 

Um es vorweg zu nehmen, für unser Boot und für alle anderen Boote in unserem Hafen ging dieses Extremereignis ohne Schaden ab. Das ist in Anbetracht der Bilder aus anderen stark betroffenen Häfen, wie Wassersleben, Maasholm, Schleswig, Damp, Strande und Schilksee, tatsächlich fast ein Wunder. Denn auch bei uns lief die Welle ungebremst durch das Hafenbecken nachdem der Wellenbrecher überspült worden war. Also hier gibt es keine Fotos von zerstörten und untergegangenen Booten sondern nur von der etwas überfluteten Hafenspitze in Flensburg.

Flensburger Hafenspitze

Nur zwei Wochen zuvor in der Nacht vom 08. auf den 09. Oktober gab es in der Flensburger Förde eine Sturmflut. Der Pegel stand bei fast +1,1 Meter über Normalnull hervorgerufen durch einen Badewanneneffekt in der Ostsee bei nachlassenden Westwind. Wir waren in dieser Nacht Gastlieger in Langballig. Die Hafenmole wurde bereits überspült und das Wasser stand knapp unter dem Steg. In Nachhinein versuchten wir uns vorzustellen, was es bedeutet, wenn hier ein Meter mehr Wasser wäre. Es ist ziemlich schwer, sich dieses vorzustellen, und es macht Angst.

Zu Beginn der Herbstferien war es uns zunächst noch zu ungemütlich und wir starteten daher erst am Montag. Es ging nach Schleimünde. Der Hafen war bereits für den Winter vorbereitet: die Stromkästen eingepackt, die Toiletten abgesperrt und die Gebäude nicht mehr bewirtschaftet. Per Aushang bedankte man sich für die Saison und freute sich auf den Saisonbeginn Ende April im nächsten Jahr. Wir blieben mit nur einer weiteren Segelyacht über Nacht und machten am nächsten Morgen den kleinen Rundgang zum Leuchtturm und über das Gelände. Es wirkte alles so idyllisch und friedlich, was uns bestätigte, dass die Lotseninsel einer unserer Lieblingsplätze ist. Wir ahnten nicht, dass es hier nicht einmal einen Woche später so katastrophale Zerstörungen geben würde, dass der weitere Betrieb des Hafens in Frage gestellt ist. Hier einige Impressionen von Schleimünde bei unserem Besuch in der Hoffnung, dass es bald wieder so schön sein wird.











Für uns ging es mit schönem Segelwind weiter in den Stadthafen von Sønderborg. Die Windvorhersage kündigte für die nächsten vier Tage eine sehr ungewöhnliche durchgehende Ostwindlage an und zwar mit immer weiter zunehmender Windstärke bis hin zu 8 Bft und dabei noch Regen. Wir passten unseren Törn insofern darauf an, das wir auf weitere Ziele verzichteten. Wir fanden es bei diesen Prognosen am besten an unserem Schwimmsteg zu liegen. Nach einem langen Spaziergang entlang der Küste zu den Dybbøler Schanzen ging es also mit dem ersten Ostwind zurück nach Flensburg. Als wir dort Mittwoch abends anlegten, war der Wasserstand bereits auf +0,6 m angestiegen. Man konnte gerade noch trockenen Fußes vom Schwimmsteg durchs tiefer gelegene Tor an Land gelangen.

Im Stadthafen ...

... von Sønderborg

Dybbøler Mühle

Vor der Sturmflut gestrandete Yacht - danach nicht mehr alleine

Wir verbrachten diese Nacht noch an Bord und am nächsten Morgen lag der Wasserstand schon bei +1,0 m. An Land ging es nur noch mit Gummistiefeln, wenn die Füße trocken bleiben sollten. Es wurde Zeit, sich ernsthaft mit der Wasserstandsprognose für die nächsten Tage zu beschäftigen. Das zuständige Amt, das BSH, sagte für Flensburg einen maximalen Wasserstand je nach Model von +1,8 m bis +1,9 m voraus. Das würde so gerade ausreichen dafür, dass sich der Schwimmsteg in den Führungsdalben noch frei bewegen könnte. Also in diesem Punkt kein Grund zu übertriebener Sorge, zumal der Wind aus Südost kam. Dennoch haben wir doppelte Festmacherleinen ausgebracht, um für den stärkeren Wind gewappnet zu sein. Dann haben wir den Steg verlassen.

Donnerstag: MARRETJE hinter dem kurzen Dalben am Steg

Warten auf die weitere Sturmflut - bereits nasse Füße am Tor 

Am nächsten Tag sind wir nach dem Frühstück wieder zum Hafen gefahren. Im Stadthafen sahen wir noch ein Segelboot mit einem vollständig ausgewehten Vorsegel, welches der Wind schon in Fetzen zerlegt hatte. Als wir an unserem Steg ankamen, sahen wir ebenfalls ein teilweise ausgewehtes Vorsegel. Unser Vorsegel! Der Wasserstand war inzwischen auf +1,5 Meter angestiegen, der Wellenbrecher war überspült und die Boote an unserem Steg bockten erheblich in der Welle. Der Wind hatte leider ungünstig auf Nord-Ost gedreht.

Freitag: Unser ausgewehtes Vorsegel

Der Pegel am Tor ist schon hüfthoch

Ist es noch sicher genug, um an Bord zu gehen und das flatternde Segel wieder festzubinden? Bernd war dazu entschlossen, weil ihm das Segel leid tat. Die beiden Reginas hielten ihn aber zurück, weil es nicht Wert sei, seine Gesundheit zu riskieren. Etwas später nahm sich dankenswerter Weise die Crew des WSF-Hafenbootes dem Problem auf MARRETJE an. Da nun bereits Personen auf dem Steg waren, ging auch Bernd durchs hüfttiefe Wasser, um bei der Aktionen „Rettet-das-Vorsegel“ zu helfen. Es funktionierte, das Segel wieder ganz festzuzurren. Als die Crew des WSF-Hafenbootes wieder zum nächsten Einsatzort abgelegt hatte, hat Bernd dann noch eine weitere Leine ausgebracht, die das Boot vom Steg wegzog. Dann ging er wieder durchs Wasser zurück an Land. Schnell die vollgelaufenen Gummistiefel und die nasse Hose ausgezogen und dann ab nach Hause unter die warme Dusche.

Anschließend bleib uns nur noch den Verlauf des Pegelstands weiter zu verfolgen und zu hoffen, dass nichts Schlimmes passiert. Beim zuvor angekündigten maximalen Wasserstand von +1,8 m oder +1,9 m war leider noch nicht Schluss, auch nicht bei +2,0 m, +2,1 m und +2,2 m. Der höchste Wasserstand war dann gegen Mitternacht erst bei +2,27 m erreicht. Etwa so hoch wie zuletzt vor fast 120 Jahren und mehr, als unser Schwimmsteg würde ausgleichen können. Dann ließ der Sturm aus Ost schlagartig nach und der Wasserstand sank recht schnell wieder.

Wasserstandsmeldungen für Flensburg während der Sturmflut

Am nächsten Morgen ging es mit großen Sorgen wieder zum Boot. Ein Glück, MARRETJE und alle anderen Boote am Steg schwammen! Allerdings hatte sich der Schwimmsteg aus dem mittleren Dalben ausgehängt und lag an dieser Stelle oben auf, so dass er dort schräg in der Luft hing. Der Wasserstand betrug nun ca. +1,3 m, so dass das Gefälle im Steg fast einen Meter betragen dürfte. Mit zunehmender Tendenz, da das Wasser ja nun weiter abfloss. Wieviel dieser Verwindung würde der Steg aushalten können, ohne zu zerbrechen? Die Crew des WSF-Hafenbootes nahm sich auch dieses Problems an und der Dalben wurde stückweise abgesägt bis sich der Steg endlich wieder einfädelte und zurück auf das Wasser fiel, was für einen Schwimmsteg die bessere Lage ist. Danach setzte langsam wieder so etwas wie Entspannung ein und wir fanden später noch Zeit an Bord von MARRETJE für Kaffee und Kuchen für die tollen, tapferen Helfer.

Samstag: MARRETJE schwimmt ohne Schaden ...
 
... aber der Schwimmsteg hängt noch in der Luft

 Der Steg ist nun immerhin ein Stück tiefer gekommen

Samstag: MARRETJE schwimmt und der Schwimmsteg nun auch wieder

Im Hafen herrschte einerseits eine Gefühl der Erleichterung, weil hier keine nennenswerten Schäden passiert sind, und andererseits ein Mitgefühl für all die vielen Wassersportler, die ihre Boote in dieser Nacht bei dieser heftigen Sturmflut verloren haben. Denn nach und nach trafen erste Informationen über die kritischen Zustände in einigen benachbarten Häfen ein.

PS: Glücklicherweise ist auch keinem Boot unserer Freunde etwas zugestoßen

PS: MARRETJE steht inzwischen hoffentlich sicher an Land und wir müssen dieses Jahr nicht mehr dick eingepackt segeln. Aber nächstes Jahr gerne wieder.





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